Paartherapie & Personzentrierte Beratung (GwG e.V.) 
Jennifer Angersbach

Das Selbstliebe Dilemma - Die Komfortzone

Sicherlich hast Du Dich schonmal mit Deiner Komfortzone beschäftigt und so Dinge gehört wie: Außerhalb dieser fängt die Magie an! Früher fand ich solche Sprüche immer motivierend und habe Menschen bewundert, die es schaffen außerhalb ihrer Komfortzone zu leben.
Mittlerweile finde ich solche Sprüche weder motivierend noch nett, sie ärgern mich. Sie ärgern mich, weil sie suggerieren, man muss sich verändern um Magie zu erleben, man muss sich von sich selbst trennen. Und dabei führt der Weg gar nicht von Dir weg, sondern zu Dir hin.
Ich bin Jenni, Personzentrierte Beraterin und Paartherapeutin, meine Praxis befindet sich in Unna (NRW) und virtuell hast Du mich bereits gefunden.


Selbstliebe

Wie siehts in Deiner Komfortzone so aus?
Ist sie wirklich so gemütlich und schön, wie sie klingt? Oder einfach nur bequem und funktional? Es ist paradox, dass sich unsere Komfortzone auch dann gut anfühlt, wenn wir dort klein gehalten werden. Das Gefühl haben nicht wählen zu können. Wenn wir fremdbestimmt sind und zweifeln.

Aber das kennen wir eben. Die Macht der Gewohnheit. Wir finden Ausreden, statt etwas zu tun. Zu verändern. Wir finden Gründe, statt Wege. (Camus oder Meurer?)

Auf dem Weg zur Selbstliebe, gilt es die Komfortzone zu verlassen. Steht auch in jedem Guide zur Selbstliebe. Doch genau das ist so fatal! Es nutzt nichts, den zweiten vor dem ersten Schritt zu gehen. Es kann sogar kontraproduktiv sein, wenn man es versucht und scheitert. Statt Selbstliebe, erzeugt man Selbstzweifel.

Daher schau Dich doch erstmal in Deiner Komfortzone um! Beim Umzug richtest Du Dich auch nicht komplett neu ein.

  • Welche Gewohnheiten und Glaubenssätze sind vielleicht bequem und funktional, ziehen Dich aber eher runter?
  • Welche Menschen sitzen da rum und sorgen eher für Druck, schlechte Stimmung und rauben Dir Energie und Freude?
  • Welche Dinge sehen vielleicht hübsch aus, aber spiegeln so gar nicht die Schönheit wieder, an der Du Dich erfreust?
  • Welche Muster, sind längst „out“ und können eben ausgemustert werden?


Bevor Du in Deine neue Komfortzone einziehst, überlege mit Sorgfalt, welche Kiste und welches Möbelstück den Aufwand wert ist mitgenommen zu werden. Und wenn da sperrige und schwere Sachen bei sind, die Du noch nicht loslassen kannst, dann such Dir doch Hilfe beim Tragen, vertrau Dich an, sei authentisch. Bedürftig.

Und vielleicht musst Du nichtmal umziehen, vielleicht reicht es schon auszumisten.

Und dann schaffe Dir diese neue, aufrichtige Komfortzone, die Bewusste. Das hier brauch ich noch, das darf bleiben. Der Preis ist die Anstrengung. Aber eben ganz bewusst. Mit Akzeptanz. Und eben nicht, weil es immer schon so war und da halt rumstand.

Und wenn das gelingt: Herzlichen Glückwunsch.

Selbstliebe bedeutet nämlich nicht sich selbst zu verlassen, um dann endlich liebenswert zu werden. Selbstliebe bedeutet, so zu sein wie Du bist. Dich selbst bewusst und achtsam, anzunehmen. Und endlich sein zu dürfen.

Du musst nicht werden. Du bist.

Saskia fühlt sich gerade ganz schon begrenzt in ihrer Komfortzone:

„Alles ist gerade doof. Mein Job ist mies, morgen ist Montag, ich hab nichts geschafft am Wochenende, meine Steuern vom vorletzten Jahr sind überfällig, ich bin einfach müde und Winterreifen habe ich auch noch nicht. Wann hätte ich mich auch darum kümmern sollen?“

„...ich kann Dir mein Auto leihen, ich bin ja eh im Homeoffice! Ich weiß, das löst nicht alles, aber dann kommst Du morgen wenigstens zur Arbeit!"

„Wohooo! Ich komme zur Arbeit!“, sagt Saskia sarkastisch.

Lena schweigt. Sie wollte ja nur helfen. Da fällt ihr ein, dass Saskia vor 2 Wochen von ner Stellensusschreibung geschwärmt hat und fragt nach: „Hattest Du eigentlich ne Bewerbung abgeschickt, für die Stelle bei der Stadt?“

„Kannst Du bitte den Salzstreuer wegpacken?“, sagt Saskia zickig.

Lena schaut sie irritiert an.

„Salz in die Wunde?!“, erklärt Saskia ihr, als wäre sie schwer von Begriff.

„Boah, Saskia! Ich glaub ich fahr besser!“

Saskia schaut sie nun entschuldigend an und sagt: „Sorry, aber ist vermutlich das Beste, mit mir ist nichts anzufangen.“

Lena steht auf, zieht sich an und fragt noch: „Brauchst Du mein Auto morgen? Du könntest mich ja wegbringen und hast dann eins."

Saskia winkt ab: „Nee, das klappt schon! Danke.“

Als die Tür ins Schloss fällt ärgert Saskia sich, warum schafft sie es einfach nicht raus aus ihrer Komfortzone? Wegbewerben. Einfach mal Hilfe annehmen. Und warum musste sie den ganzen Samstag auf ihren Neffen aufpassen, obwohl sie eigentlich keine Zeit hatte?

Saskia hat Angst vor Veränderung, in einem neuen Job, kann es ja nicht nur besser, auch schlechter werden. Sie reagiert grundsätzlich mit einem „Ja, klar!“, wenn jemand Hilfe braucht, gleichzeitig stellt jede Bitte um Hilfe auch ne Belastung dar. Daher mag sie es nicht, selbst um Hilfe zu bitten - sie will keine Last sein. Sie hat Lena gegenüber ein schlechtes Gewissen, das macht es noch schwerer sie nun doch nach dem Auto zu fragen.

Die logische Konsequenz: Sie muss was ändern! „Raus aus der Komfortzone!“

Hui. So direktiv, zu direktiv für meinen Geschmack. Zu hart. Ja, teilweise stehe ich mir selbst im Weg. Meine Angst lähmt mich. Meine Muster haben neben der Schutzfunktion auch Nachteile. Die Komfortzone ist aber ja eigentlich was Schönes. Die Zone in der ich mich sicher und gut fühle. Sie ist komfortabel. Ich mag sie gerne! Warum raus?

Selbstliebe

Es geht doch nicht darum, alles hinter sich zu lassen und stetig neu zu beginnen. Beim Umzug, trennst Du Dich ja auch nicht von ALLEM was zu Dir gehört.Ich weiß, „Raus aus der Komfortzone“ bedeutet nicht sich neu zu definieren, dennoch suggeriert uns diese harte Aussage genau das. Und wenn ich unzufrieden bin, dann greife ich auch gerne mal zum Extremen - um dann zu scheitern.
Der Teufelskreis wird rund.

Hier stelle ich Dir sanftere und hoffentlich einleuchtende Impulse vor, die Dir helfen, Deine Komfortzone zu behalten und Dich lediglich von den Dingen zu trennen, die Dich ausbremsen, Dich begrenzen.


1. Widme Dich Deiner Komfortzone zeitlich begrenzt und konsequent.

Du bist unzufrieden, würdest gern anders, weißt aber nicht wie. Du hast das Gefühl, auf der Stelle zu treten, möchtest Dich verändern und gleichzeitig ist da so viel was losgelassen werden müsste...
Nimm Dir etwas Zeit und versuche Kategorien zu finden: Wo möchtest Du Was, Wie verändern? 

Beziehungen, Beruf, Verhaltensweisen, Hobbys, Zeit, ...

Fange mit einer Kategorie an und bleibe zeitlich begrenzt und konsequent dabei.

2. Erfahren, Erleben, Spüren
Nun widme Dich nach und nach den Kategorien:

  • Wer lässt Dich gut, geliebt, wichtig und verstanden fühlen?
  • Wie wichtig ist Dir berufliche Zufriedenheit? Fühlst Du Dich wohl und sicher in Deiner Tätigkeit? Wie sind die Kollegen? Die Vorgesetzten?
  • Welche Verhaltensweisen sorgen im Nachhinein für Reue und Scham? Warum? Welche tun Dir wirklich gut?

 

  • Welchen Hobbys gehst Du nach? Warum? Hast Du Deine Leidenschaft gefunden?

 

  • Wie verbringst Du Deine Zeit? Wer oder was bekommt mehr als andere Bereiche? Wie viel Zeit bleibt Dir? Fühlst Du Dich frei?


3. Weg vom „Loslassen“ hin zum „Festhalten“Ein Dilemma, das Du sicherlich kennst. Du konzentrierst Dich auf das, was Du verändern, loslassen willst. 

Widmest Dich also lieber einer Lösung, statt dem Problem.
Warum das ein Dilemma ist, ist vielen nicht klar. Spätestens wenn sie an der Lösung scheitern oder nicht loslassen können, merken sie: Irgendwo hakt es!

Verändere mal Deine Perspektive: Warum hältst Du fest? Warum willst Du etwas ‚lösen’?Und frag Dich vielleicht vorab: Woran willst Du festhalten?

*Ähnlich mit der Zeit: Oft machen wir den ganzen Tag das, was vermeintlich getan werden muss, um dann frustriert zu sein, weil man die Dinge, die man tun wollte nicht geschafft hat. Warum haben die eigentlich so wenig Priorität?


4. Umgebe Dich mit dem, was Du sehen willst! Verrückt, oder? Verrückt, dass wir genau das so oft nicht tun! Du hast Dir nun bewusst gemacht, was Dir in welchem Bereich wichtig ist. Du weißt, was Du willst. Du weißt, was Dir gut tut.
Und nun, setze es um. Umgib Dich öfter mit den Menschen, die Dir gut tun und weniger mit den Menschen, bei denen Du Dich verpflichtet fühlst. Wenn Dein Job vor allem dazu dient, Geld zu verdienen, dann behandle die Tätigkeit auch so, statt unbezahlte Mehrstunden nach Feierabend anzuhäufen, als wäre es dein Hobby. Wenn gewisse Verhaltensweisen Dich ausbremsen, Dir schaden, versuch sie zu ändern oder suche Dir Hilfe.


5. Visualisiere Deine Wünsche, Erfolge und auch die Niederlagen

Erinnere Dich selbst daran, wie Du warst, bist und sein willst. Vielleicht durch ein Tagebuch, vielleicht durch Fotos, vielleicht durch nen Insta-Account... Nichts wird gänzlich verschwinden, sondern ist und bleibt ein Teil von Dir - so oder so. Annehmen, erleben, erinnern statt ablehnen, resignieren und vergessen. Letzteres gelingt Dir ja ohnehin nicht, es holt Dich immer wieder und immer stärker ein.

Fazit: Es geht nicht darum, die Komfortzone zu verlassen, sondern sie so zu gestalten, dass sie Dich nicht ausbremst und Du Dich dennoch wohlfühlst. Ebensowenig, wie Du anders werden musst, um liebenswert zu werden.
Das ist ein Prozess, Schritt für Schritt, achtsam und behutsam und bewusst. Je verzweifelter Du bist, desto extremer die Maßnahme die Du ergreifst und desto größer der Fall, wenn Du scheiterst. Mal wieder bestätigt worden, darin, dass Du halt einfach nicht gut genug bist. Um diesem Jojoeffekt zu umgehen, bedarf es kleine, Schritte. 

Was darf und soll nicht verändert werden? Dann behalte es. Mach Dir den Preis bewusst, halt daran fest.
Was soll bitte weg? Frag nicht wie Du loslassen kannst, erkläre Dir warum Du loslassen willst. Nutze Dein Gefühl, Deine Intuition: Was ist gut? Was sorgt für unangenehme Gefühle? Für Stress? Schuld? Scham? Druck?

Du hast es verdient glücklich zu sein, unbeschwert zu leben, zu lieben und zu lachen. Du darfst Dich sogar selbst lieben. Du darfst frei sein. Und Du darfst in Deiner Komfortzone bis zum Lebensende bleiben! Das ist Dein Zuhause. 

Du bist Dein Zuhause.

 
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