Paartherapie, Personzentrierte Beratung & Weiterbildung (GwG e.V.) 
Jennifer Angersbach

"Wie soll ich Dich verstehen, wenn Du mir nicht sagst, wer Du bist?"

Paartherapie

„Ich glaube manchmal gibt es nicht genug Steine“, das sagt Forrest Gump mehr zu sich selbst, im Film, als er die erwachsene Jenni dabei beobachtet, wie sie Steine gegen ihr Elternhaus wirft. Er versteht es nicht,  Später lässt er das Haus ihres Vaters abreißen… er versteht so viel nicht, von Jenny, dennoch verurteilt er sie nicht, im Gegenteil, er liebt sie.

Kommen wir zu Matthias und Lara:

„Meinst Du nicht, Du übertreibst etwas?“, fragt Matthias vorsichtig seine Frau Lara, die damit beschäftigt ist, die Brote ihrer Tochter in Kunstwerke zu verwandeln und aus dem Obst lustige Spieße zu basteln.  

„Ich möchte doch einfach nur, dass es ihr gut geht, sie sich geliebt fühlt...!“, erklärt Lara, während sie nun, wie jeden Abend, ein Herz auf einen Zettel malt und diesen mit in die Brotdose legt. 

„Ich weiß, aber sorgst Du Dich nicht ab und zu, dass sie womöglich etwas verhätschelt und überbemuttert wird?“, fragt Matthias behutsam.  

Lara beginnt zu weinen. Vollkommen aufgelöst schreit sie ihren Mann an, ob er wirklich glaubt, sie sei ne schlechte Mutter, ob man denn zu viel lieben könne und warum er ihr immer nur sagt, was sie alles falsch macht. 

Matthias ist nicht überrascht, er kennt diese Ausbrüche, hatte gehofft vielleicht heute mal in Ruhe über seine Bedenken sprechen zu können. Seit der Geburt ihrer Tochter hat Lara sich stark verändert.  

Lara ist selbst ganz erschrocken über sich und ihre Gefühlsausbrüche... gleichzeitig macht Matthias sie oft so wütend, dass sie gar nicht anders reagieren kann. Wenn er wüsste, wie es ihr als Kind ging, dann würde er sie nicht so verurteilen.  

Aus Laras Schreien ist ein stilles, hilfloses weinen geworden. Matthias steht auf, geht zu ihr, umarmt sie und hält sie fest. Er weiß nicht warum, aber er weiß, irgendwas in Lara ist bedürftiger als sie es sich jemals eingestehen würde.  

Matthias versteht Laras Verhalten oft nicht. Früher war das anders, aber als ihre 1. Tochter geboren wurde, veränderte sich etwas. Lara war kaum mehr für ihn da, alles drehte sich um die Bedürfnisse der Tochter. Matthias fühlte sich zurückgesetzt. Sie lebten aneinander vorbei.  

Matthias wusste nicht, das Lara missbraucht worden ist. Er kannte auch die Folgen vom Missbrauch nicht. Er wusste nicht, dass sich kaum jemand um Laras Bedürfnisse in ihrer Kindheit gekümmert hat und das Lara es deswegen so anders machen wollte. 

Lara hat noch nie mit jemandem über ihren Missbrauch gesprochen und sie hat früh gelernt, dass ihre Bedürfnisse nicht gesehen werden, also hatte sie irgendwann keine mehr. Passte sich an.  War die (vermeintliche) perfekte Frau.  

Bis zur Geburt der Tochter. Sie wusste, sie würde es anders machen, überschüttete ihre Tochter mit Liebe, vergaß dabei nicht nur ihren Mann - auch sich selbst. Je selbstständiger die Tochter wurde, desto unzufriedener wurde sie. Ihr Mann verstand das alles nicht. 

Ein extremes Beispiel. Auch ohne Missbrauchserfahrung stellt die Geburt eines Kindes jede Beziehung auf die Probe. Und auch ohne die Geburt können die Themen die jeder mit sich rumträgt die Beziehung auf eine harte Probe stellen.  

Bestimmte Verhaltensweisen können wir uns selbst nicht erklären, vor allem wenn man gewisse Erfahrungen nicht gemacht hat. Und wenn man von diesen Erfahrungen nichts weiß, erst recht nicht. 

Es ist so wichtig einander zu kennen, nur so kann man aufeinander aufpassen, einander verstehen und für den Anderen da sein.  

Wie ist und war es bisher so bei Dir? Kennst Du Deinen Partner / Deine Partnerin? 


Hier nun 3 Gründe, warum man einander nicht gut kennt, 3 Folgen  und eine Lösung: 


1. Man redet nicht über vorherige Beziehungen 

Es ist ein Unterschied ob man über den/die Ex herzieht oder über die Beziehung spricht. Es geht auch nicht darum vom Ex oder von der Ex zu schwärmen. Vielmehr geht es darum offen über die Erfahrungen zu sprechen, wie man sich und den Anderen erlebt hat, was man vielleicht gelernt und erfahren hat und eben um das, was man sich in der aktuellen, vielleicht neuen Beziehung wünscht und was man mitbringt. 


2. Man sollte sich immer von seiner besten Seite zeigen. 

Das hier schon so oft thematisierte Dilemma: Du wirst nur gesehen, wenn Du Dich zeigst. Gerade zu Beginn, zeigen wir ungern alles, sondern beschränken uns auf die positiven Aspekte. Teilweise wolllen wir so sehr gefallen und passen uns an, sorgen für Gemeinsamkeiten wo keine sind. Verstellen uns. 

Das kann langfristig enorme Konflikte verursachen oder/und zur Unzufriedenheit führen. Zu dem Gefühl nicht gesehen zu werden. Und der Partner versteht die Welt nicht mehr, wenn die scheinbar perfekte unkomplizierte und interessierte Frau plötzlich Bedürfnisse benennt von denen er nichts weiß. Scheinbar zickig und kompliziert wird. Kein Interesse mehr an seinen Hobbys hat. 

Und natürlich anders herum. 


3. Meine Kindheit ist ja nun wirklich nicht wichtig

Die Kindheit. Eine so wichtige und prägende Zeit. Insbesondere wenn Deine Kindheit schambehaftet ist, wenn Du da schon immer das Gefühl hattest, nicht zu reichen, nicht gut genug zu sein, weil Deine Eltern Dich ständig kritisiert haben, nicht für Dich da waren oder aber sich für Dich aufgeopfert haben und Dir so ein eher ‚unglückliches‘ Vorbild waren. 

Vielleicht wurden Dir auch nie Grenzen gesetzt, vielleicht hast Du alles bekommen, was Du wolltest? Vielleicht waren Deine Eltern unberechenbar? 

Deine Eltern haben in jedem Fall Dein Spannungsfeld zwischen Autonomie & Nähe geprägt. Sie haben Deine Bindungsbereitschaft geprägt und sie haben Dir gezeigt, wie sich Liebe anfühlt. Falls Aspekte davon, aus heutiger Sicht, nicht ‚optimal‘ gelaufen sind, um es Mildes auszudrücken, ist es wichtig darum zu wissen, um zu verstehen. 


Dein Gegenüber reagiert unverhältnismäßig stark auf gewisse ‚Kleinigkeiten‘? 

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Vielleicht ist Dein Verhalten eben wie ein Trigger, ein Auslöser starker Empfindungen, der Deine Frau/Deinen Mann in eine Situation zurückversetzt in der sie/er hilflos war, verletzt wurde, Angst hatte. 


Dein Gegenüber ‚überrascht’ Dich nicht selten mit seinen Träumen und Verhaltensweisen. 

Zu Beginn einer Beziehung, bedarf es einer gewissen Anpassungsfähigkeit und Offenheit für die Interessen des Anderen. Manchmal übertreiben wir da ein bisschen und adaptieren ganz viel vom Anderen, wenn uns das viel Anstrengung kostet, gehts nicht lange gut, irgendwann brechen wir aus und plötzlich fühlt sich der Andere vor den Kopf gestoßen, wenn man bspw. sagt, das Wandern so gar nichts für einen ist. 


Es gibt Verhaltensweisen, deines Gegenübers, die Du einfach nicht verstehen kannst. 

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...und die Dich in den Wahnsinn treiben: Von Faulheit bis zum Aktionsmodus. Vom Ordnungs- und Listenzwang bis zum absoluten Chaos. Vom Sensibilität bis hin zur scheinbaren Gefühlslosigkeit. Jeder hat bei diesen und weiteren Dingen ein eigenes Maß, teilweise werten wir unser Maß ab, teilweise das des Partners und können sein/ihr Verhalten einfach nicht nachvollziehen. 


Die Lösung: Lernt euch kennen! 

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Kennst Du die Lebensgeschichte?  

Weißt Du über die besonders prägenden Erfahrungen Bescheid? ⠀ 

Kennst Du das Verhältnis zu den Menschen die in ihrem / seinem Leben eine Rolle spielen (Freunde, Kollegen, Chef, Eltern)? ⠀ 

Welche Beziehungserfahrungen liegen hinter ihm/ihr? 

Was ist seine/ ihre Definition von Liebe? 

Gab es traumatische Erfahrungen? 

Was sind ihre/seine Träume, Pläne, Ziele? ⠀ 

Weißt Du um seine/ ihre größten Ängste und Sorgen? 

Wie sieht er/sie sich eigentlich selbst? 

Bis hin zu den banalen Dingen: 

Welcher der Lieblingswitz? Die Lieblingsserie? Das Lieblingsbuch? Usw. 


Wie viele Fragen kannst Du beantworten?  

Und viel spannender, glaubst Du Dein Partner weiß all das über Dich?


Fazit: Es ist normal und menschlich sich von einer besten Seite zeigen zu wollen, doch nicht immer sind wir gut darin Maß zu halten. Wir spielen überall irgendwelche Rollen, tragen Masken, nicht nur seit Corona. Bei manchen geht es sogar so weit, dass sie selbst kaum mehr wissen, wer sie sind, was sie wollen, brauchen, was ihnen gut tut. Weil sie schon früh damit angefangen haben, sich anzupassen. Vielleicht weil das ihre einzige Chance auf ein vermeintlich normales Leben war, ihre einzige Chance zu überleben.


Manche legen diesen Schutz der Anpassung ein Leben lang nicht ab. Manche werden gezwungen ihn abzulegen, oft bei so großen Lebensereignissen, den schönen, wie den schlechten. Wie oft sitzen Männer bei mir, die erstmalig über ihre Kindheit sprechen, die erstmalig Schwäche zeigen und endlich kann die Frau verstehen. Endlich kann sie den Mann fühlen, der ihr vorher so emotionslos vorkam.

Und wie oft sitzen Frauen bei mir, die schon öfter über ihre Kindheit gesprochen haben, oder über vorherige Beziehungen, die aber die entscheiden Dramatik, die ihr Gefühl dabei vollkommen außen vor gehalten haben und plötzlich sackt der Mann in seinem Sessel in sich zusammen, er wusste das alles irgendwie, aber dass es soooo schlimm war, das war ihm nicht klar.

Und mindestens genau so oft höre ich den Satz: Warum hast Du mir das nie erzält?

Na ja, wir wollen uns eben nicht als schwach, als Opfer präsentieren, ändert ja auch nichts… und ist halt auch schambehaftet, unangenehm… Wir zeigen uns lieber so, wie wir gerne wären und vergessen, dass wir eben keine Übermenschen sind und früher oder später an eine Grenze stoßen. Und plötzlich erkennt uns unser Partner oder unsere Partnerin nicht wieder.

Ist erschrocken. Schockiert. Reagiert mit Unverständnis. Du bist frustriert. Verletzt. Fühlst Dich nicht gesehen.

Dabei ist es so wohltuend und so schön udn so warm und bereichernd, wenn man um seiner selbst Willen geliebt wird, mit allem was dazu gehört. Jeder hat da diesen Rucksack, und den von Anderen, den wollen wir gerne sehen, darin befindet sich ja auch selten etwas, für das wir uns schämen, oder wegen dem wir uns klein fühlen. Unseren Eigenen möchten wir aber lieber zulassen, doch je schwerer er wird, desto größer die Gefahr, dass er unkontrolliert platzt also los, vor allem wenn es bei euch gerade (noch) richtig gut läuft: Lernt euch kennen, fangt auf, liebt, erkundet, fühlt mit, seid da, hört zu, nehmt an, akzeptiert - Ohne Bewertung, ohne Mitleid. Sondern bedingungslos zugewandt und emphatisch, damit sorgt ihr nicht nur vor, sondern ihr schafft eine neue, tiefere und vertrautere Verbindung als zuvor. Die netten Nebeneffekt:

Interesse

Aufmerksamkeit

Verständnis

Vertrauen

Zweisamkeit

Verstehen

Selbsterfahrung

Wertschätzung

WirGefühl


Und wenn Du oder ihr bereits erste Folgen spürt, dann geht besonders behutsam mit einander um.

 
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